Blue Energy plant neben dem Müllkraftwerk in Weißenhorn mehr als ein Pelletwerk: Das Unternehmen will damit die Wärmeenergie aus der Müllverbrennung speichern und dezentral weiterverwenden. Von Michael Janjanin
Weißenhorn/Vöhringen. Die Zufahrt ist auf Weißenhorner Gebiet geplant, das Werk selbst auf der Gemarkung der Stadt Vöhringen, die Energie kommt vom Müllheizkraftwerk, das der Abfallwirtschaftbetrieb (AWB) am Rande des Industriegebiets Eschach im Auftrag des Landkreises Neu-Ulm betreibt. Beiden Rathausverwaltungen, der AWB-Werkleitung und den Gremien der Städte und des Landkreises fühlt sich Jochen Sautter, der kaufmännische Geschäftsführer der Firma Blue Energy Group, gutaufgehoben mit seiner Unternehmens-Idee: mit Hilfe der ungenutzt in die Luft entweichenden Abwärme aus dem Müllkraftwerk Pellets herzustellen. Ein entsprechen-des Werk ist gerade in Planung – „wir kommen in die Genehmigungsphase“, sagt er.
Die Firma plant, 90 000 Megawattstunden im Jahr an Abwärmeenergie des Müllheizkraftwerksabzunehmen, um damit 100 000 Tonnen Holzpellets zu produzieren. Wie berichtet, versucht der Landkreis seit Jahren, ein Fernwärmenetz für öffentliche und private Einrichtungen aufzubauen, um die Energieleistung der Anlage im Eschach besser auszunutzen. Wie Landrat Thorsten Freudenberger kürzlich mitteilte, sei man in Ko-operation mit der Stadt Weißenhorn schon ziemlich weit.
Das Vorhaben der Spezialisten aus Neu-Ulm würde dem Fernwärmenetz keine Energie entziehen, sondern als Großkunde eine gleichmäßige, berechenbare Auslastung übers Jahr hinweg für das Gesamtkonzept bringen. „Hier sind wir mit dem Werkleiter Thomas Moritz in Kontakt“, sagt Sautter. Und dieser bestätigt, dass es für beide Konzepte reicht. Das Unternehmen Blue Energy gibt es seit eineinhalb Jahren. Die 18 Mitarbeiter der Unternehmensgruppe bringen jedoch viel Erfahrung aus ihrer bisherigen Tätigkeit in der Branche mit. Kerngeschäft sind Contracting-Modelle zur Energieeinsparung und deren Finanzierung und Projekte im Anlagenbau und Betrieb. „Unser technischer Geschäftsführer Herbert Heinz bringt eine 30 Jahre lange Erfahrung im Kraftwerksbetrieb mit“, ergänzt Sautter. Ein ähnliches Pelletwerk betreibt die Firma Prinz Eugen Energiepark, die ebenfalls zur Blue Energy Group gehört, im nordhessischen Bad Arolsen. „Dort nutzen wir die Abwärme eines Biomassekraftwerks.“
An der Stadtgrenze von Vöhringen zu Weißenhorn benötigt Schwabenpellets 17 500 Quadratmeter Grund: für Lager-Silos, Verkehrswege zur Anlieferung des Rohstoffsund Abtransport der Pellets, die Lagerung des Sägemehls in einer Halle, erklärt Sautter. Die Anlagen an sich, in denen der Rohstoff getrocknet und in aufgeheiztem Zu-stand zu Pellets gepresst wird, seien dann nicht mehr so raumgreifend.
„Unsere Produkte wollen wir zu einem kleineren Teil verkaufen“, ergänzt der Geschäftsführer. Das heißt: Die Pellets kommen in Hausöfen oder in anderen Einrichtungen zum Einsatz. Dies sei bereits ein Bei-trag zur Reduzierung von Kohlendioxid, indem bisher ungenutzte Energie dazu diene, aus Sägemehl einen Brennstoff herzustellen. „Dieses war früher ein Abfallprodukt in Sä-gewerken, nun ist es ein Rohstoff, den wir in einem Umkreis von rund 100 Kilometern einkaufen.“ In einem zweiten Schritt plant Blue Energy den Ausbau der Idee zu einem regionalen Energie-Speicherkonzept. Die Ausgangslage: Der Wärmesektor stehe trotz seiner wesentlichen Bedeutung nicht im Fokus der Klimapolitik. „70 Prozent des Energie im Haushalt verwenden wir fürs Heizen und die Warmwasserbereitung.“ Hier gelte es, mit Konzepten anzusetzen. So will Blue Energy in einem zweiten Schritt Nahwärmesysteme aufbauen – immer nur dort, wo sich aufwendige Leitungsbauten für Fernnetze nichtlohnen. Für Wohn- und Gewerbegebiete oder öffentliche Einrichtungen in der Region. „Kern solch eines dezentralen Netzes ist unsere Heizzentrale“, ein handelsüblicher Container mit einem Heizaggregat und einem Lagerraum für die bei Weißenhorn hergestellten Pellets.
Aus der Energiemenge, die das Müllheizkraftwerk im Eschach liefert, ließe sich so nach Berechnung von Blue Energy ein Energiespeicher in Form von Pellets herstellen, der 20 Prozent des Wärmebedarfs im gesamten Landkreis Neu-Ulm abdeckt und „dezentral und dosiert wieder abgeben kann“.
Quelle: Südwest-Presse vom 29. Januar 2016