Biomasseanlage wird im hohen Norden abgebaut und für die Papierfabrik auf dem Knapsacker Hügel wieder aufgebaut. Von Andreas Engels
Hürth-Knapsack. Die Papierfabrik auf dem Knapsacker Hügel wird künftig von einem eigenen Kraftwerk mit Prozessdampf versorgt. Die Biomasseanlage wird in Finnland abgebaut und auf einer 260 Meter langen und 60 Meter breiten Fläche vor dem Hürther Werk wieder aufgebaut. Im Sommer 2019 soll das Kraftwerk, das neben Wärme auch elektrischen Strom erzeugt, ans Netz gehen.
Bislang wird die Papierfabrik mit ihrem enormen Energiehunger vom benachbarten Goldenberg- Braunkohlekraftwerk aus mit Wärme versorgt. Doch der Vertrag mit dem Kraftwerksbetreiber RWE läuft aus. Weil es Differenzen über künftige Lieferkonditionen gab, sah sich der finnische Konzern UPM, zu dem auch das Hürther Werk gehört, nach Alternativen bei der Energieversorgung um – und wurde in Süddeutschland fündig.
Inzwischen hat UPM mit dem auf erneuerbare Energien spezialisierten Projektentwickler Blue Energy Europe (BEE) mit Sitz in Ulm einen langfristigen Wärmeliefervertrag abgeschlossen. Das Kraftwerk, das nun auf die Reise von Finnland nach Hürth geht, hat in den Jahren 2009 bis 2012 ein Werk des Papierherstellers Myllykoski, der auch die Hürther Papierfabrik gebaut hatte, mit Energie versorgt. 2010 übernahm UPM das finnische Familienunternehmen, 2011 wurde das dortige Werk geschlossen. Im Jahr darauf wurde das Kraftwerk stillgelegt.
Im Oktober 2016 hat BEE nach Angaben von Geschäftsführer Jochen Sautter das Kraftwerk erworben. Das Herzstück der Anlage, bestehend aus Turbine und Generator, ist bereits ausgebaut und nach Deutschland gebracht worden. Vor einigen Tagen hat das Unternehmen General Electric im Auftrag von BEE mit dem Abbau der übrigen Kraftwerksteile begonnen, darunter Biomassekessel, Stahlträger und Verkleidung. Vor dem Transport werde das Kraftwerk praktisch wieder in die Einzelteile zerlegt, aus denen es einst zusammengesetzt worden sei, erklärt BEE-Geschäftsführer Sautter. Der Abbau der 45 Meter hohen Kraftwerksanlage werde – unterbrochen von einer Winterpause zwischen Oktober und März – etwa fünf Monate dauern. 2000 Tonnen zumeist Stahl müssen demontiert, verladen und nach Knapsack transportiert werden, das entspricht etwa 250 Lkw-Ladungen.
Mitte 2018 soll dann vor der Papierfabrik mit der Montage des Kraftwerks begonnen werden. Dabei würden die Einzelteile einer intensiven Revision unterzogen. Motoren würden geöffnet, Dichtungen ausgetauscht, Lager erneuert. „Das Kraftwerk wird technisch dem Zustand einer neuen Anlage entsprechen“, sagt Jochen Sautter. Neben dem Kesselhaus mit Turbine, Generator und Biomassekessel wird auf dem rund 1,5 Hektar großen Gelände auch eine komplett neue Rauchgas-Reinigungsanlage, eine geschlossene Lagerhalle für den Brennstoff und ein Gaskraftwerk als Ausfallsicherung errichtet.
BEE-Geschäftsführer Sautter sieht in dem Kraftwerk einen Beitrag zur Energiewende und hebt die positive Ökobilanz hervor. Durch den Einsatz von Altholz als Brennstoff spare die Anlage im Vergleich zur Braunkohle 260 000 Tonnen CO2 pro Jahr ein. Der Weiterbetrieb des acht Jahre alten Kraftwerks aus Finnland in Knapsack schone Ressourcen. Das Anlagenrecycling hat für BEE auch einen wirtschaftlichen Vorteil durch die Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland. Weil die Anlage bereits 2009 in Betrieb genommen wurde, erhält der Betreiber noch bis 2029 die damals geltende höhere Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz für Stromerzeugung aus Biomasse in Kraft-Wärme-Kopplung.
Neben der Papierfabrik, die laut Sautter für eine Grundauslastung des Kraftwerks sorgen werde, sucht BEE nach weiteren Wärme-Abnehmern. Derzeit sei man mit Standortfirmen im benachbarten Chemiepark im Gespräch, das Kraftwerk könnte auch Energie ins Fernwärmenetz der Stadtwerke einspeisen.
Projekt wird vorgestellt
240 000 Tonnen Altholz sollen ab Mitte 2019 jährlich in der Energieversorgungsanlage Hürth – so der offizielle Titel des Projekts – verfeuert werden. Das entspricht 50 Lkw-Ladungen am Tag, die über die Autobahn angeliefert werden sollen.
Betreiber Blue Energy Europe (BEE) will sich für spätere Jahre auch den Einsatz sogenannter Ersatzbrennstoffe – organischer Abfälle – genehmigen lassen. Das Kraftwerk wird als Kraft-Wärme-Kopplungsanlage über eine Heizleistung von 88 Megawatt und einer elektrischen Leistung von 22 Megawatt verfügen.
Bei einer Infoveranstaltung wollen Vertreter von BEE und UPM das Kraftwerksprojekt am Donnerstag, 14. September, 18 Uhr, im Feierabendhaus (Industriestraße 249) vorstellen. (aen)