
Ein verspäteter Leuchtturm
Um das Holzgaskraftwerk in Senden war es drei Jahre lang ruhig. Was passiert ist und wann der BioEnergiePark mit neuen Projekten in Betrieb geht. Von Karin Mitschang
Weg von den fossilen Brennstoffen aus dem politisch instabilen Ausland! “Wir sagen das schon seit 2015 in jedem Vortrag”, sagt Jochen Sautter von der Blue Energy Europe GmbH mit Sitz in Senden. “Seit Kriegsbeginn in der Ukraine verstehen es die Leute plötzlich.” Sein Unternehmen, das auf nachhaltige Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert ist, wollte bereits seit zwei Jahren grünen Strom aus dem Holzgaskraftwerk in Senden liefern und so zum Umbau der Energieversorgung beitragen.
Von den SWU übernommen
Doch Corona und eine Gesetzesänderung seien dazwischen gekommen, sagt Sautter. Den BioEnergiePark Senden hatte Blue Energy 2018 von den SWU übernommen und umgebaut. Nach der Anpassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei nun nur noch erlaubt, was darin explizit genannt wird. Allerdings sei damit die Gewinnung von Holzöl nicht mehr genehmigungsfähig. Das war gleichzeitig mit der Holzvergasung, die Strom und Wärme erzeugt, vorgesehen.
“Diese Anlagen können wir nicht nutzen”, sagt Sautter in der Daimlerstraße, als er gerade am flüssigen Erdöl-Ersatz in zwei weißen Containern und der dazugeöhrigen Anlage vorbeikommt. Der Ärger über die Bremse für Blue Energy ist zu spüren. “Wir haben Gesetze wie vor 30 Jahren.”
Nach einem neuerlichen Umbau hofft Sautters Team, in diesem Jahr die Genehmigung von der Regierung von Schwaben zu erhalten. Inzwischen seien fast alle Teile vor Ort, über die Höhe der Investition will man nicht sprechen.
Blue Energy sieht sich als Problemlöser für die Industrie: für Unternehmen in Deutschland, aber auch beispielswiese in Finnland. Auch dort trat Sautter – der Blausteiner (48) ist Elektromechaniker und Finanzfachwirt – als Berater auf. “Wir optimieren im Bereich der erneuerbaren Energie Anlagen auf innovative Art, die wir manchmal auch übernehmen.” Behalten habe das Unternehmen auch eine Holzpellet-Anlage in Hessen, die ein innovatives Produkt herstelle. “Solche Pellets gibt es eigentlich gar nicht”, sagt Entwickler Zoran Aleksic, als er ein dunkles, dickes Pellet in der Hand hält. In großen Anlagen und bei Nässe zerfalle es nicht. Wie genau es aus Restholz zusammengesetzt und gepresst ist: Betriebsgeheimnis. Aber: “Wir kommen hiermit bis auf zehn Prozent an den Wirkungsgrad von Braunkohle heran und machen diese Pellets für die Industrie nutzbar.”
In Senden soll per thermochemischer Behandlung Restholz aus der Region vergast werden, das “keiner mehr will”. Erzeugt werden sollen fünf Megawatt Strom und sechs Megawatt Wärmeenergie, die den Energiebedarf von 10 000 Haushalten abdecken.
Statt “dumm verbrennen” könne man so viel mehr aus Reststoffen holen, sagt Betriebsleiter Aleksic. Mittelfristig soll nicht nur Restholz, sondern auch anderes Biomasse-Material verwertet werden. Auch grüner Wasserstoff sei herstellbar. Dies habe man an der kleinen Versuchsanlage in Senden demonstriert.
“Wir sind Praktiker”, sagt Sautter. Mit seinem Entwickler habe er schon manche Nacht an der Versuchsanlage verbracht, “stundenlang Material geschaufelt”. Auch mit technischen Universitäten führe die Firma immer wieder Forschungsprojekte durch. Regionale Unternehmen hätten Interesse bekundet, auf dem Gelände des BioEnergieParks weitere Anlagen umzusetzen. Ein Nachbargrundstück, das derzeit verpachtet werde, könne dann genutzt werden. Sautter: “Aber erst müssen wir das Holzgaskraftwerk in Betrieb nehmen, unser Brot- und Buttergeschäft.”
SWU hatten innovatives Kraftwerk mit Manko geplant
Wärmenetz Das Fernwärmenetz der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm im Kreis Neu-Ulm wird weitgehend mit dem fossilen Brennstoff Erdgas betrieben. Für die Ulmer Fernwärme wird das Hauptnetz von der Fernwärme Ulm GmbH betrieben. Kleinere Netze fallen in die Zuständigkeit der SWU. Energie wird von mehreren Erzeugern unter aunderem aus Müll, Erdgas, Biomasse, Solarthermie und Öl hergestellt.
Kauf Der BioEnergiePark Senden wurde 2012 von den SWU als Holzgas-Heizkraftwerk errichtet. Das “Leuchtturmprojekt” lief nicht rentabel, informiert das Unternehmen Blue Energy, das Anfang 2018 übernahm. Man habe die Zuverlässigkeit stiegern können, doch nach einem Schadensfall wurde die Anlage abgeschaltet. “Die SWU waren vorausschauend und haben ein top Kraftwerk gebaut”, sagt Jochen Sautter. “Nur bei der wichtigsten Komponente, dem Gaserzeugungsreaktor haben sie auf die falsche Technologie gesetzt.” Auch habe es mit der Genehmigung Probleme gegeben.
Arbeitgeber Die Blue Energy Group hat derzeit 20 Arbeitnehmer, wie Jochen Sautter sagt. Neun sollen hinzukommen, wenn die umgebaute Sendener Anlage in Betrieb ist.
Karin Mitschang / Matthias Kessler (Foto)
Quelle: Südwest Presse vom 26. April 2022