In den vergangenen Monaten hat Jochen Sautter viel Zeit in Wäldern verbracht. Der Geschäftsführer der Ulmer Projektentwicklungsfirma Blue Energy Europe besuchte mit Biomasse-Experten die Lieferanten für das Holzgas-Heizkraftwerk (HGA) in Senden. Wie berichtet, hat Blue Energy die Anlage den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm (SWU) abgekauft. Der Spezialist für ökologische Energieprojekte hat damit einiges vor.
Ein Jahr, rechnet Geschäftsführer Sautter vor, habe 8760 Betriebsstunden. Die HGA habe zuletzt zwar 6000 Betriebsstunden erreicht, sei damit aber „nicht wirtschaftlich“ gewesen. Grund: Störungen im Ablauf. Diese gelte es nach und nach „zu eliminieren“. Wo die Techniker ansetzen können, sei klar, schließlich seien die Probleme sehr gut dokumentiert. „Da haben die SWU einen super Job gemacht. Das Kraftwerk wurde so hergerichtet, dass es verkauft werden konnte.“
Mehr rausholen lasse sich, indem sauberer Brennstoff eingesetzt wird, sagt Sautter. „Die Anlage ist sensibel, sie braucht gutes Holz. Wir müssen den Rohstoff optimieren.“ Deshalb die Besuche im Wald: „Wir haben geschaut, wie unsere Lieferanten einschlagen, ob sie die Bäume über den Boden ziehen. Erde, Sand, Nadeln können wir nicht brauchen.“ Nicht alle, aber die meisten Lieferanten seien weiter dabei. „Wir haben versucht, Kontinuität zu wahren, keine große Aufregung zu verursachen.“
Verschwelt wird in der HGA das Restholz aus den Wäldern. Also die 40 Prozent eines Stammes, die nicht etwa für Möbel oder auf dem Bau genutzt werden können. Das Holz kommt aus Weißenhorn, Hittistetten und aus dem oberschwäbischen Bereich. Kurze Wege seien ihm wichtig, sagt Sautter. Das Rohstoff-Angebot ist derzeit eher zu groß als zu klein: Nachdem die Fernwärme Ulm (FUG) einen Kessel ihres Heizkraftwerkes auf Altholz umgestellt hat, ist der Verbrauch in der Region um 30.000 Tonnen im Jahr gesunken. Die HGA braucht rund 20.000 Tonnen pro Jahr.
Wenn die Hackschnitzel vor Ort sind, soll künftig weiter optimiert werden. Dafür wird Blue Energy für mehrere Millionen Euro ein großes Sieb sowie eine Band-Trockungsanlage vor das Kraftwerk bauen. Derzeit wird das Holz in einem Haufentrockner vorbereitet. Dabei wird von unten warme Luft zugeführt. Das Ergebnis sei aber oft nicht einheitlich, weil das Material naturgemäß an manchen Stellen dichter zusammensitze als an anderen. Beim Band-Trockner werden die Hackschnitzel in dünnen Lagen auf Länge getrocknet. Gebaut werden soll im Sommer.
Als eine weitere „verfahrenstechnische Umbaumaßnahme“ ist geplant, die Brennkammer nicht mehr mit dem in der Anlage gewonnenen Produktgas anzufeuern. Sondern mit dem, was im Sieb hängen bleibt. „Das Produktgas ist zu edel“, erklärt Sautter. Blue Energy arbeite eng mit der Regierung von Schwaben zusammen. „Die ziehen voll mit.“
15 Jahre in der Pflicht
Auch die Städte Senden und Neu-Ulm haben ein Interesse daran, dass die HGA weiter und besser läuft: Schließlich kommt von dort die Fernwärme für hunderte Haushalte. Blue Energy Europe hat zunächst einen 15-Jahres-Vertrag für die Grundlastversorgung mit den SWU geschlossen. Übrigens stellen die Stadtwerke weiterhin die 30-köpfige Mannschaft in der Anlage, jetzt eben im Auftrag des neuen Besitzers.
In den kommenden Jahren soll die HGA auch für Forschungen genutzt werden. „Wir wollen hier lernen, wie biogene Reststoffe in Erdgas umgewandelt werden können. In Erdgas mit so guter Qualität, dass es ins Netz eingespeist werden kann.“ Dabei geht es um Klärschlämme oder Gärreste aus Biogasanlagen, die heute meist auf die Äcker gekippt werden und das Grundwasser belasten. Platz für neue Anlagen wäre in Senden. Blue Energy hat Nachbargrundstücke der HGA mitgekauft.
Weitere Details zur Anlage und den Protagonisten
Technik: Holz wird in der HGA in einem Vakuum hohen Temperaturen ausgesetzt, es verschwelt. Das freigesetzte Gas wird in Motoren verbrannt, die Generatoren antreiben – Strom entsteht. Mit der Prozesswärme wird Wasser erhitzt und ins Fernwärmenetz geleitet.
Käufer: Blue Energy kauft nachhaltige „Energie-Infrastruktur-Projekte mit Handicap“. Anlagen mit Optimierungsbedarf. Die HGA ist Nummer 3 im Portfolio. Geschäftsführer Sautter: „Wir wollen den Klimawandel verhindern, Umwelt- und Naturschutz voranbringen.“
Verkäufer: „Forschung, Bau und Betrieb von innovativen Erzeugungsanlagen gehören nicht zu unseren Stammaufgaben“, begründet SWU-Geschäftsführer Klaus Eder den Verkauf. Zumal die wirtschaftlichen Erwartungen unerfüllt blieben. Der Kaufpreis ist geheim.
Bericht: Niko Dirner
Foto: Oliver Schulz
Quelle: Südwest Presse online vom 29. Januar 2018